Während der Nacht stelle ich fest, dass meine Isomatte als Schallkörper fungiert. Sobald Käfer oder größere Spinnen über die Luftmatratze hinweglaufen, ist aufgrund des Lärmpegels an Schlaf nicht mehr zu denken.

Aufgeweckt werden wir aber schließlich von anderen Geräuschen. Die offenen Fenster- und Türläden haben das Interesse der Ziegen geweckt. Vor der Glastür steht ein halbes Dutzend und erkundet neugierig den Eingangsbereich.

Der Weckdienst

Der Weckdienst

Auch zu einem Blick durch das Fenster lassen sie sich hinreißen. Waren am Vorabend noch Kühe im Gatter, wimmelt es plötzlich von aufgeweckten Ziegen.

Wir bitten den Bauern nochmals um ein wenig Brot und Wurst, trinken einen Kaffee und steigen wieder in den Ort hinab. Von dort geht es auf einem Schotterweg in Serpentinen den Berg hoch. Immer wieder kann man ein Blick in das Tal mit der Alm werfen. Oben am Sattel Bocca di Cablone (1755m) angekommen geht es mit geringer Steigung weiter. In den Felsen zu unserer Linken sind in Abständen von wenigen Metern Räume eingelassen.

In den Fels gesprengte Baracken

In den Fels gesprengte Baracken

Informationstafeln beschreiben Stellungen und tonnenschwere Geschütze, die einst unweit dieser Baracken standen. Aus einiger Entfernung sehen wir einen relativ großen Bunker. Energie für einen Abstecher dorthin haben wir jedoch nicht. Auch rückt das südliche Ende des Gardasees in unser Blickfeld. Nun ist es bald geschafft.

Das Ziel unserer Reise, der Gardasee

Das Ziel unserer Reise, der Gardasee

An der Malga Tombea machen wir eine Brotzeit. Hier verlassen wir den breiten Weg. Wir schreiten weiter auf einem dem Berg abgerungenen Pfad, welcher uns immer wieder durch in den Fels gesprengte Tunnel führt und tolle Einblicke in die umliegende Berglandschaft erlaubt.

Auf alten Pfaden

Auf alten Pfaden

Wir steigen auf zum Sattel Bocca Campei, umlaufen einen eingestürzten (oder vielleicht auch gesprengten) Tunnel, um dahinter dann in steilen Serpentinen abzusteigen.

Gardasee mit Monte Baldo

Gardasee mit Monte Baldo

Unten vom Passo Valesina (1450m) geht es durch einen Wald auf schmalen, später zugewachsenen Pfaden auf den Cima del Fratone. Auf dem grünen Gipfel, welcher über eine Leiter bestiegen wird, schreckt ein schwarzer Vogel aus dem Gras auf und fliegt davon. Dem Flügelschlag nach zu urteilen ein Birkhahn. Oder ein Auerhahn. Spielt auch keine Rolle. Wäre er nicht davon geflogen, hätte ich ihn nicht einmal bemerkt.

Am Cima del Fratone

Nach einem kurzen Abstieg treffen wir wieder auf eine Schotterstraße und folgen dieser. Nun bekommen wir auch die ersten Menschen an diesem Tag zu sehen. In unmittelbarer Nähe des Gardasees sind wir bisher durch eine menschenverlassene Bergwelt gelaufen. Wir folgen dem Weg eine Weile und treffen dann auf eine Straße, an welcher etwas oberhalb auch schon das Rifugio zu sehen ist.

Der Passo Temalzo, an welchem die Albergo Garda liegt, ist ein Klassiker für Mountainbiker am Gardasee. Zumeist lassen sie sich mit dem Shuttle hier hinauf kutschieren und fahren dann die serpentinenreiche geschotterte Tremalzostraße hinunter. Der Sentiero Antonioli folgt genau dieser Strecke auch, welche für Autos gesperrt ist.

Die Unterkunft sieht von außen aus wie ein Imbiss für die zahlreichen Ausflügler, die hier unterwegs sind. Und genau das scheint es auch zu sein. Die Empfangsdame wirft, auf unsere Frage nach einem Zimmer, dem Mann hinter uns einen fragenden Blick zu. Dieser erklärt uns harsch, dass dies kein Rifugio wäre. Es wäre ein Motel. Aber die Zimmer sind geschlossen. Reden lässt er mit sich darüber nicht. Eine Begründung bekommen wir auch nicht. So danken wir freundlich und ziehen davon.

Etwas unterhalb soll es ein Agriturismo geben. Die Malga Ciapa. Diese ist ausgerechnet am heutigen Tage geschlossen ist. Anfang September scheint hier keine Saison zu sein. Ich lege jedem nah, sollte er sich auf diese Tour begeben, vorher anzurufen.

Gereizt und frustriert machen wir uns an den Abstieg, nicht wie geplant über die Tremalzostraße, sondern über den Forstweg an der Malga vorbei in Richtung Zivilisation. Nicht die eleganteste Routenführung, wie sich bald herausstellt. Irgendwo haben wir offenbar einen Abzweig verpasst.

Zügig geht es voran auf der Forststraße

Zügig geht es voran auf der Forststraße

Nach ungefähr einer Stunde sichten wir eine Alm. Bereits vor einigen Stunden sind wir unweit dieser, mit Ziel Passo Tremalzo, entlang gelaufen. Jetzt gehen wir auch noch im Kreis. Immer wieder studieren wir die Karte. Aber wir haben nur die Wahl irgendwo hier zu biwakieren oder nun am späten Abend noch den Rest abzusteigen. Jedoch waren wir zu stolz etwas zu Essen zu bestellen, nachdem man uns keine Betten geben wollte. Und das Brot von der Malga Alpo ist schon lange aufgegessen.

Bei einer Rast erklärt uns ein Mountainbiker, dass es laut seinem Navi nur noch acht Kilometer wären. Nachdem er gefilmt hat wie der Rest seiner Gruppe den Forstweg hinunter gefahren ist, stürzen sie sich auf ihren E-Bikes ins Tal. Ungläubig schauen wir in Anbetracht dieser Information die Karte an und folgen ihnen schließlich.

Strecke machen. So hatte ich mir den letzten Tag nicht vorgestellt

Strecke machen. So hatte ich mir den letzten Tag nicht vorgestellt

Einige Stunden später, nachdem wir der Schotterstraße über weit mehr als acht Kilometer ins Tal gefolgt sind, laufen wir bei einbrechender Dunkelheit an der Straße entlang Richtung Limone. Elisabeth versucht zu trampen, aber mitnehmen will uns niemand.

Irgendwann erreichen wir Vesio, circa zehn Kilometer vor unserem eigentlichen Ziel. Wir suchen auf dem Smartphone eine günstige Unterkunft, nehmen uns dort ein Zimmer, duschen, gehen auf der anderen Straßenseite etwas essen und legen uns schlafen. Die Broschüre über den Sentiero Antonioli braucht dringend ein Update. Und wir eine Pause. Der Gardasee kann warten.