STF Abisko Fjällstation
Etwas oberhalb des siebzig Kilometer langen und 330km² umfassenden Sees Torneträsk liegt die STF Abisko Fjällstation, ein Gebäudekomplex mit Hotelanlage, Ferienhäusern und Zeltplatz. Ausgangspunkt für Outdooraktivitäten aller Art, Sommer wie Winter.
Im Haupthaus, welches auch ein Restaurant sowie einen kleinen Laden beherbergt, treffe ich an der Rezeption auf Florence. Sie ist nur wenige Minuten vor mir eingetroffen, hat sich im Hüttenbuch der Palnostugan schlicht im Datum geirrt. Nachdem wir uns nun über eine Woche nichtmehr gesehen haben, treffen wir doch fast zeitgleich an diesem Etappenziel ein.
Gleich für zwei Nächte checke ich auf dem Zeltplatz ein. Vor nunmehr 16 Tagen bin ich in Kautokeino aufgebrochen und habe seitdem knapp 400 Kilometer und somit die Hälfte meiner Wanderung zurückgelegt. Auch wenn ich es die letzten drei Tage sehr gemütlich angegangen bin, möchte ich hier einen vollständigen Tag Pause einlegen. Des weiteren bietet mir Abisko, erstmals seit Kilpisjärvi, die Möglichkeit meinen Proviant aufzustocken.
Gemeinsam gehen wir am Nachmittag in das etwa drei Kilometer entfernte Abisko Östra. In dem kleinen Ort mit kaum mehr als einhundert Einwohnern liegt der Supermarkt Godisfabriken, dessen Sortiment – ohne zu übertreiben – zum größten Teil aus Süßigkeiten besteht. Neben Brot, Wurst und Trinkjoghurt findet kiloweise frisches Obst ihren Weg in meinen Einkaufskorb. Auch erhalte ich hier am Postschalter mein Proviantpaket, welches ich mir im Vorfeld aus Deutschland zugesendet habe.
Für den Abend steht ein Restaurantbesuch in der Fjällstation auf dem Plan. Der Laden ist nobler als erwartet und ohne Tischreservierung werden wir von der Empfangsdame zunächst abgewiesen und auf später vertröstet. Auch die Preispolitik und die Portionsgrößen sind nicht auf Weitwanderer ausgelegt. So folgt nach dem 3-Gänge-Menü mit Rentier und Lachs noch ein zweites Abendessen im Zelt.
Pausentag Abisko
Die Abisko Fjällstation liegt unmittelbar an der Erzbahn zwischen Narvik und Lulea am Ufer des Torneträsk. Inmitten der Nacht lässt der Zugführer, auf Höhe meines Zeltes, das Horn erklingen und entreißt mich dem Schlaf. Ein Blick auf das Smartphone sagt mir, dass es erst vier Uhr morgens ist. Doch an Schlaf ist nichtmehr zu denken. So widme ich mich, im Schlafsack liegend, dem Frühstück. Während die Sonne aufgeht schlendere ich durch den Birkenwald, inmitten welchem der Zeltplatz liegt. Auf den Preiselbeeren liegt der Raureif und auf dem See der Nebel.
Der weitere Tag verläuft ruhig. Das Frühstückbuffet spricht mich nicht an, beim Mittagessen konzentriere ich mich auf den Nachtisch. Der Kaffee ist nichts. Viel Zeit verbringe ich in der kleinen Bibliothek in einem Sessel, entspanne beim Blick aus dem Fenster, lade meine Akkus und schreibe Postkarten. Im angeschlossenen Laden kaufe ich mir ein Paar viel zu dünner Handschuhe, denn ich verlor einen wenige Tage zuvor am Altevatnet.
Es heisst, die Wahrscheinlichkeit, in Abisko Polarlichter zu sehen, sei besonders hoch. Im Winter pilgern Tausende in den kleinen Ort um bei -30° C und tagelanger Dunkelheit Nordlichter zu sichten. Und tatsächlich, als ich am frühen Abend die Fjällstation Richtung Zelt verlasse, kann ich welche sehen. Aus dem ursprünglich grünen Schimmern am Himmel, welches ich nicht sofort zuordnen kann, entstehen zusehends Nordlichter die den Himmel über dem Torneträsk überspannen. Tagelang hatte ich mir nachts den Wecker gestellt, in der Hoffnung, welche sichten zu können und nun ist es kaum später als 22 Uhr, nicht mal richtig dunkel.
STF Abisko – Alesjaure 30km
Wie bereits in Kilpisjärvi, lief auch hier der Einkaufsbummel außer Kontrolle und ich habe deutlich mehr Proviant eingekauft, als ich benötigen werde. Beim Aufbruch zeigt die Waage am Eingang der Abisko Fjällstation glatte zwanzig Kilogramm an. Einen solch schweren Rucksack hatte ich bis dato noch nie zu tragen, doch dies war die letzte Möglichkeit für mich Proviant zu kaufen. Mein Nachschubpaket in Ritsem habe ich schon abgeschrieben und somit müssen die Nahrungsmittel die nächsten Wochen reichen. Hinzu kommt, dass ich auch fast ein Kilogramm Pfirsiche sowie eine riesige Orange bei mir habe.
Es fällt es mir schwer mein Tempo für die nächsten Tage korrekt einzuschätzen, aus dem angestrebten dreißiger Schnitt sind in den letzten Tagen höchsten noch zwanzig geworden. Auch bin ich mir über meine Route nicht im Klaren, eigentlich wollte ich die Rast in Abisko nutzen um dies zu klären. Gehe ich die komplette Strecke bis in das schwedische Kvikkjokk oder die etwas kürzere Variante bis nach Sulitjelma in Norwegen? Setzte ich in Ritsem mit dem Boot über den See oder wage ich den mehrere Tage langen Umweg durch das Gebirge? Oder mache ich es wie Florence und folge ab hier dem besser erschlossenen Kungsleden bis runter nach Kvikkjokk?
Ein wenig kann ich diese Entscheidung noch aufschieben, denn in jedem Fall verläuft der Nordkalottleden, auf den nächsten zwei bis drei Etappen, streckengleich mit dem beliebten Kungsleden durch den schwedischen Fjäll. Der Pfad ist breit ausgetreten und gut ausgebaut, nahezu jede Pfütze mit einer Brücke versehen. Seit Beginn meiner Wanderung ist dies der erste Tag, an welchem ich abends trockene Füße haben werde.
Es dauert nicht lange da kommen Florence und mir die ersten Wanderer entgegen. Es ist viel los, aber bei weitem nicht so viel, wie ich zunächst befürchtet hatte.
Der Herbst ist da und die schwarzen Wolken in den Bergen sorgen für eine ganz besondere Atmosphäre. Doch seitdem ich den Abisko Nationalpark und das Tal hinter mir gelassen habe weht ein eiskalter Sturm.
Eigentlich fest entschlossen bis zur schwedischen Hütte Alesjaurestugan durch zu gehen entdecke ich am See eine Zeltstelle, zu welcher ich nicht nein sagen kann.
Alesjaure – Tjäktjastugan 17km
Der Wind hat in der Nacht die Richtung gewechselt und rüttelt nun ordentlich an meiner Behausung. Das Zelt über meinem Kopf pfeift, surrt und flattert, doch bleibt es stehen. Es dauert eine Weile bis ich mich aufraffen kann den Schlafsack zu verlassen. Draußen nieselt es leicht, auf dem See lassen sich ein paar Vögel regungslos von den Wellen über das Wasser schaukeln. Fast könnte man meinen sie genießen das herrliche Wetter.
Der Regen geht später in Schneefall über und die Sturmböen werden zunehmend unangenehmer.
Für meine mittägliche Rast suche ich den Schutz einer Hütte auf. An der Tjäktjastugan empfängt mich die Hüttenwirtin draußen vor der Tür mit einem Becher Tee, auf der kleinen Hütte ist meist nicht viel los und sie versucht das bei jedem so zu machen.
Nach der Pause auf der Hütte mache ich nur wenige Schritte. Der Sturm ist nun so stark, dass das Laufen schwer fällt. Die Böen bringen mich zum Schwanken und ein Vorankommen ist kaum noch möglich. Genervt setz ich mich wieder in die Stube. Die Zwangspause bringt meinen Plan durcheinander. Für den morgigen Tag war das Erreichen der ersten norwegischen Hütte hinter der Grenze angedacht. Doch nun, nach nicht erreichtem Tagesziel, wären das über 40 Kilometer. Mit den Füßen kaum vorstellbar. Die Übernachtungskosten von über 400 schwedischen Kronen (rund 40 Euro), welche auf den schwedischen Hütten entlang des Kungsleden fällig werden, tragen zur Stimmung bei. Doch mir bleibt nun nichts anderes übrig als abzuwarten und Tee zu trinken.
Der Ofen spendet wohlige Wärme während unter der Wucht der Sturmböen die Balken knarzen. Die Schneeflocken fliegen waagerecht am Fenster vorbei, zerschellen am Boden und tauen dann. Noch ist es nicht kalt genug.
Thomas
11. Dezember 2017 — 19:54
Ein ganz toller Bericht den du geschrieben hast.
Ich werde mir in den nächsten Tagen die anderen auch noch durchlesen und bin schon jetzt gespannt.
Maximilian
12. Dezember 2017 — 19:14
Das freut mich! 🙂
Habe von deinen Norge pa langs Plänen gelesen, top!