Fels, Wasser, Erde & Luft

Rota Vicentina: Auf dem Fischerpfad ans Ende der Welt

Um drei Uhr in der Früh klingelt der Wecker. Das Thermometer, welches ich auf dem Weg zum Busbahnhof passiere, zeigt -5° C an. Wenige Stunden später, als der Flieger in Lissabon zum Landen ansetzt, kündigt der Pilot bereits 4°C Außentemperatur an. Zwei U-Bahn Fahrten und eine Busreise später sind es 14° C.

Die Sonne scheint, als ich nach der dreistündigen Fahrt in Porto Covo aussteige. Den Großteil der Fahrt habe ich geschlafen – oder zumindest versucht dies zu tun.

Am Ende der Hauptstraße kann ich bereits das Meer erspähen. In einer Bar gibt es nebst Espresso noch eine Flasche Wasser und kurz darauf befinde ich mich schon auf der Rota Vicentina inmitten der spärlichen Vegetation der Küste, welche die nächsten Tage mein Begleiter sein wird.

Der erste Strand, Ilha do Pessegueiro, ist bald erreicht. Außer einem Pärchen am Horizont ist, trotz des traumhaften Wetters, merkwürdiger weise niemand zu sehen.

In den folgenden Stunden wechseln sich Strand- und Dünenabschnitte stetig ab. Ich nutze das schöne Wetter um erstmal anzukommen, lege mich in den warmen Sand und döse eine Weile vor mich hin. Die Anreise war anstrengend. Auch sind für Heute nur wenige Kilometer angedacht, denn schließlich habe ich für die überschaubare Strecke, bis zum Kap, jede Menge Zeit.

Ein besonders schützenswerter Bereich der Küste ist auf einer Dirt Road zu umgehen. Eine adäquate deutsche Übersetzung, womit der Charakter dieser sandigen Pisten trefflich formuliert wäre, kenne ich nicht. Am Strand bin ich auf die nassen Bereiche nahe am Wasser ausgewichen, doch hier auf dem staubtrockenen Weg sinke ich bei jedem Schritt knöcheltief ein.

Nachdem sich die Sonne rot leuchtend in das Meer gestürzt hat und die letzten Tagestouristen in ihre Autos gestiegen sind, suche ich mir einen abgelegenen Platz für die Nacht. In Ermangelung eines festen Untergrundes für mein Zelt, verbringe ich die Nacht unter freiem Himmel.

Trotz der Vielzahl an Fährten, sind in den Dünen nicht viele Tiere zu beobachten. Lediglich einen Vogel trifft man immer wieder an: Der Storch hat die steilen Küsten für sich entdeckt und die Nacht habe ich ganz in der Nähe eines der Nester verbracht.

Weiterhin führt der Weg Richtung Vila Nova de Milfontes an der pittoresken Küstenlinie entlang.


Der Ort liegt an der Flussmündung des Rio Mira in den Atlantik und beschert mir somit einen Umweg über die Straße.

Als ich sowohl Brücke über den Fluss, als auch Straße, hinter mir gelassen habe, wird es abermals Zeit für eine Pause am Strand. Mittlerweile ist bereits Mittag und die Sonne legt sich für das frühe Jahr mächtig ins Zeug.

Die Stunden des Nachmittags reihen sich in die des Vortages ein, das Meer zu meiner Seite wandere ich die Küste entlang den Abend entgegen.

Lediglich die vielzähligen Zugänge zu den Stränden erfordern Aufmerksamkeit. Ich nehme jeden Abstecher wahr, klettere von Bucht zu Bucht immer wieder über die schwarzen Felsen in die Dunkelheit hinein.

Als der Strand von Almograve vor mir liegt, geht abermals die Sonne mit schönstem Abendrot unter und schon bald darauf schlendere ich querfeldein in die Dünen um mein Lager aufzuschlagen. Mit ein wenig Improvisation findet heute auch mein Zelt Halt in dem weichen Sand.

Der Folgetag begrüßt mich mit einem bewölkten Himmel, doch das gute Wetter hält an.

Nach einigen spektakulären Blicken auf die Küstenlinie, zieht sich der Weg alsbald in das Hinterland zurück.

Erstmals passiere ich einen Kiefernwald und bald darauf die kleine Ortschaft Cavaleiro. Hinter dieser ist zügig wieder das Meer erreicht. Hier, am Leuchtturm Farol do Cabo Sardão, sind unzählige Storchenpaare in ihren Nestern zu beobachten, jedoch wissen dies unzählige Ausflügler ebenso.

Parallel zur Küste geht es nun Richtung Zambujeira do Mar. Der Himmel ist locker bewölkt und die Sonne brennt unerbittlich, während ich entlang der Sandpiste dahinstapfe. Schatten gibt es nur selten – doch darüber zu klagen wäre wohl unangemessen.

In Zambujeira do Mar ist für viele das Ende der Etappe erreicht, doch mich zieht es weiter. Noch einige Stunden wird das hervorragende Wetter ausgenutzt und ich schreite voran bis eine schöne Stelle zum Zelten ausgemacht ist. Noch bevor ich mein Lager errichte, klettere ich in die davor liegende Bucht hinab und nehme ein Bad. Sobald die Sonne hinterm Horizont verschwunden ist, suche ich meinen Schlafplatz auf.

Der neue Tag bringt einen deutlichen Wetterumschwung mit sich, es ist bedeckt und der Wind hat ordentlich zugenommen. Auf meinem Weg nach Odeceixe entwickeln sich die staubtrockenen und brach liegenden Felder zur Brutstätte für Sandstürme. Auch erste Regentropfen kündigen an, was der Wetterbericht schon lange prophezeite.

Hier in Odeceixe mündet der Fischerpfad in den historischen Weg und bietet im weiteren Verlauf lediglich kurze Abstecher ans Meer. Trotz des Wetters wähle ich die Extraschleife zur Küste, vom etwas im Landesinneren liegenden Odeceixe. Wenige Stunden später werde ich wieder auf diesen treffen. Von hier an folgt der Weg einem Kanal, der sich durch die zersiedelte Landschaft windet.

Im nun fallenden Regen geht es durch die trostlose Ortschaft Rogil und weiter dem Kanal folgend. Um diesem schlussendlich zu entkommen, nehme ich am späten Abend den Abzweig zur nächsten Schleife des Fischerpfades und suche mir am Rande dessen einen Platz zum nächtigen.

Der Abstecher an das Meer hält nicht lange an, schon früh am Morgen befinde ich mich wieder auf dem Routenverlauf des historischen Weges und kurz darauf in Aljezur. Zumindest das Wetter ist mir heute wieder gut gesonnen und nach einem ausgiebigen Frühstück in der Kleinstadt nehme ich abermals den Umweg über den küstennahen Fischerpfad anstelle des direkten Weges zum nächsten Etappenziel Arrifana.

Auch wenn dieser Weg teils lange durch die Ortschaft führt, behaupte ich ungesehen, dass der historische Pfad landschaftlich auch auf dieser Teilstrecke mit dem Fisherman’s Trail nicht mithalten kann.

In Arrifana nehme ich mir ein Bett im Hostel anstatt mein Zelt aufzubauen, denn der Himmel lässt nichts Gutes erahnen. Auch den nächsten Tag verbringe ich hier in der Unterkunft und sitze den Regen aus. Der Kontakt mit den anderen Wanderern ist eine erfrischende Abwechslung und wird auch noch die nächsten Tage bereichern.

Das Wetter wird tags darauf nicht merklich besser, doch mich zieht es weiter. Die Route der Rota Vicentina nach Carrapateira führt weg von der Küste in das hügelige Hinterland.

Eine Alternativroute über den Fischerpfad existiert hier nicht, doch nach der Pause bin ich froh überhaupt wieder auf den Beinen zu sein. Das wechselhafte Wetter sorgt für eine eindrucksvolle Stimmung und auch die Landschaft ist ohne Kanal deutlich schöner anzusehen.

Carrapateira erreiche ich bei strahlendem Sonnenschein, nächtige jedoch abermals in einem netten Hostel und gehe mit den Bekanntschaften des Vortages zu Essen.

Am nächsten Morgen lasse ich erstmals den Fischerpfad links liegen. Das Wetter ist verhalten ausgedrückt eher so lala und ich wähle den ohnehin schon stark mäandrierenden Weg durch das Hinterland. Landschaftlich betrachtet ist dieser kein unbedingtes Highlight, zudem stürmt es nun ordentlich. Die Vielzahl an Windrädern die den Landstrich prägen, lassen vermuten, dass dies die Regel ist.

Nach einer Nacht in Vila de Bispo trete ich meine letzte Etappe zum Kap an. Es sind nur noch wenige Kilometer zu bewältigen bis ich dort ankomme.

Das Wetter ist auch heute trüb, doch zumindest trocken. Auch steht an diesem Tage wieder eine Variante des Weges entlang der Küste zur Verfügung – und diese kann mich nach wie vor in den Bann ziehen.

Das letzte Stück entlang der Straße, vom Kap nach Sagres, bewältige ich per Anhalter und reise von dort mit dem Bus zurück nach Lissabon.

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