Rostahytta – Cievccasjavri 21km

Meine Zimmernachbarn sind bereits aufgebrochen. Ich fege kurz durch und verriegele die Tür der Rostahytta hinter mir. Den Generalschlüssel des DNT (Den Norske Turistforening), für das große Vorhängeschloss aus Messing, habe ich mir bereits einige Wochen zuvor besorgt. Das Thermometer neben der Tür zeigt 2° C an, doch das Wetter schaut vielversprechend aus.

Rostahytta
Norwegisch für Anfänger: Die Rostahytta (Hütte) am Rostaelva (Fluss) im Rostadalen (Tal).

Die Hütten des norwegischen Wandervereins, entlang des Nordkalottleden, sind sämtlich unbewirtschaftet und verschlossen. Als Mitglied fallen 150 Kronen, sprich rund 15 Euro, für die Übernachtung an. Üblicherweise füllt man ein Formular mit seinen Kreditkartendaten aus oder hinterlässt die fällige Summe direkt in Bar. Alle Hütten bieten, neben einem gemütlichen Aufenthaltsraum mit Holzofen und Gaskocher, einen oder mehrere Schlafräume mit Stockbetten.

Ein langer, aber wie hier im Fjäll üblich relativ flacher, Aufstieg steht mir bevor. Das Gelände, wie auch das Wetter, wird zunehmend rauer. Deplatziert wirkende Felsen wechseln sich mit Schmelzwasser gespeisten Seen ab.

Das rote T markiert in Norwegen die Wanderwege

Nach dem erklimmen einer letzten Anhöhe gilt es eine Geröllhalde zu überqueren. Hier beginnt der Øvre Didival Nationalpark, den ich die nächsten Tage durchwandern werde. Die Luft ist angenehm frisch, das Wetter schwenkt zusehends um und der Blick auf die unter mir liegende Daertahytta ist traumhaft.

Daertahytta

Die neu gebaute Hütte ist toll, die Räume großzügig geschnitten und mit Möbeln eines großen schwedischen Möbelhauses ausgestattet. Ich nehme zusammen mit dem Paar aus der Rostahytta einen Tee ein. Wir plaudern ein wenig über den Weg, das Wetter und die Personen, welchen wir begegnet sind. Sie sind in Saraelv gestartet und folgen dem NKL bis Innset. Die Beiden werden heute hier bleiben, ich jedoch möchte für die Nacht mein Zelt aufbauen. Es dauert eine Weile bis ich mich den Fängen des gemütlichen Sofas entrissen habe. So lege ich noch wenige Kilometer zurück bis ich am Ufer des Cievccasjavri eine geeignete Stelle finde und mein Lager errichte. Noch lange schleiche ich durch die Hügel am See, inspiziere die Gegend, fotografiere und filme. Ich hab ja schließlich heut nichts mehr vor.

Cievccasjavri – Anjavassdalen 29km

Der Tag steht ganz im Zeichen des Jerta. Bereits in den frühen Morgenstunden ist der prägnante Gipfel am Horizont zu sehen.

Jerta

Der Pfad durch die pittoreske Felsenlandschaft führt herab in ein Tal zu zwei Seen. Hier hat auch der Sumpf mich wieder. Später erwartet mich noch eine der größten Flussquerungen des Weges. Bisher hatte ich diese nicht einmal auf dem Schirm, bis ich gestern in angsteinflößenden Worten eine Beschreibung davon bekam. Breit soll die Watstelle sein, ist man früh im Jahr unterwegs gehen die Fluten bis zur Hüfte.

Ich lege meine Mittagspause am Hang des Stuora Nànná ein. Zum einen möchte ich nach der Furt schleunigst weiter laufen um wieder auf Temperatur zu kommen, zum anderen kann ich von hier aus den Blick auf das Tal genießen. Der Skatarelva mäandriert durch das Tal, wechselt willkürlich seine Breite und verzweigt sich immer wieder. Die Sonne spiegelt sich auf der Wasserfläche und dahinter liegt der Jerta in seiner ganzen Pracht.

SkatarelvaJerta mit Skatarelva

Die Querung ist tatsächlich sehr breit. Immer wieder stehe ich inmitten des Flussbettes und orientiere mich neu, doch gehen mir die Wassermassen nie höher als zum Knie. Kalt ist es trotzdem!

Skatarelva Jerta

Gedanken verloren stapfe ich am Fluss entlang in die falsche Richtung, korrigiere meinen Fehler aber schnell und erklimme den Pass zwischen Jerta und Little Jerta.

Am Sattel liegt das Dividalen zu meinen Füßen. Lange versuche ich die gigantischen Ausmaße in ein Bild zu bannen. Ausgesprochen schön ist die Aussicht von hier oben. Kaum vorstellbar wie das Tal im späten Herbst aussehen mag.

Dividalen
Die Dividalhytta inmitten eines Birkenwaldes 

Die Dividalshytta lasse ich nach einer kurzen Teepause hinter mir. Der Abstieg führt mich durch Kieferbestände runter an den Divielva.

Statt bis zur Brücke fort zu schreiten, entscheide ich mich für eine kurze Furt des Flusses um mich prompt weglos im Gelände wieder zu finden. Die nächsten Kilometer geht es querfeldein ein Seitental hinauf. Bären und Wölfe soll es hier geben, doch obwohl ich immer wieder auf die Hinterlassenschaften von Elchen stoße, bekomme ich nicht mal diese zu sehen.

Wieder auf dem richtigen Pfad, wandere ich entlang des reißenden Anjavasselva talaufwärts. Während die Dämmerung einbricht, schlage ich oberhalb des Flusses mein Lager für die Nacht auf.

Anjavasselva

Anjavassdalen – Gaskkasjohka 25km

Bereits wenige Minuten nach meinem Aufbruch am Morgen treffe ich auf den ersten Wanderer. Er möchte heute noch zur Daertahytta und ist früh aufgebrochen. Der Norweger läuft Norge pa langs. Gegenverkehr auf dem Trail bietet sich immer an, um Routenoptionen und Wegzeiten auszutauschen. Er interessiert sich vor allem für die Wegkonditionen bei Kautokeino. Für das Wegstück vom Reisadalen nach Alta haben anscheinend die wenigsten einen hieb- und stichfesten Plan. Mich interessiert die Umgehung des Ahkajaure durch die Berge Norwegens, aber wie die meisten hat er den See mit dem Boot überquert. Auch wenn man sich mit der Fähre einen Umweg von mehreren Tagen erspart, steht das für mich nicht zur Debatte. Vor allem weil ich dort erst ankommen werde, wenn das Boot bereits seinen Dienst für das Jahr eingestellt hat.

Die Frage zum Abschied, ob ich denn Crosscountry Skifahrer wäre, verneine ich nur kurz. Die Gegenfrage, ob er aus der Fremdenlegion desertiert wäre, verkneif ich mir. Die Anspielung auf meine Kleidung war nicht zu überhören.

Das Tal des Annavasselva überrascht mich mit einer Schönheit, die dem Dividalen nicht im Geringsten nachsteht.

AnjavassdalenAnjavassdalen  Anjavassdalen

Nach der obligatorischen Teepause an der Hütte geht es aufwärts in die Berge. Das Wetter trübt ein und die Temperaturen sinken deutlich. Am Pass erwartet mich abermals ein Meer aus Steinen. Schier endlos schreite ich von Stein zu Stein. Auch am heutigen Tag wird es wieder spät.

Oberhalb von mir grast eine große Rentierherde, unterhalb fließt der Gasskasjohka gen Tal. Obwohl die Hütte nichtmehr weit ist spanne ich mein Zelt auf. Aufgrund der exponierten Lage und des anhaltenden Windes baue ich mir aus herumliegenden Steinen eine Mauer zum Schutz vor das Zelt. Das beschweren der Heringe mit Felsbrocken ist obligatorisch.

Gaskkasjohka – Altevasshytta 15km

Ein Stunde dauert es, dann hab ich die Gaskashytta erreicht.  Auf den nächsten Kilometern werde ich etwas oberhalb des Ufers des Altevatnet laufen. Der Weg ist zunehmend besser ausgebaut, die sumpfigen Passagen mit Plankenwegen entschärft.

Altevatnet

Als mir der erste Trailrunner entgegen kommt, weiß ich, dass ich bald an meinem Ziel Innset angekommen bin. Bald führt der Pfad mich herunter an das Wasser, schöne Stellen zum zelten liegen hier. Am westlichen Ende des großen Sees liegen viele kleine Ferienhäuser verstreut in der hügeligen Landschaft.

Altevatnet

Fast unauffällig liegt die DNT Hütte Altevatnet dazwischen. Ich setze mich barfuß in die Sonne und trinke meinen Tee. Kurzentschlossen wähle ich die Nummer von Björn Klauer. Er wird mich in einer halben Stunde hier mit seinem Bulli abholen.